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Urteil des BAG vom 18.03.2003 – 9 AZR 126/02

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.03.2003, 9 AZR 126/02

Verringerung der Arbeitszeit - Diskriminierung - dringende betriebliche Belange

Leitsätze

1. Eine tarifliche Regelung, nach der nur Vollbeschäftigte einen Anspruch auf vorübergehende Verringerung ihrer Arbeitszeit aus familienpolitischen Gründen haben, diskriminiert Teilzeitbeschäftigte.

2. Ein pädagogisches Konzept kann als dringender betrieblicher Grund die Ablehnung des Verringerungsantrags rechtfertigen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Dezember 2001 - 9 Sa 726/01 - wird zurückgewiesen.

Auf die Revision des beklagten Vereins wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Auf die Berufung des beklagten Vereins wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 20. Juni 2001 - 2 Ca 1414/01 - abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Verringerung ihrer Arbeitszeit.

Die 1965 geborene Klägerin, verheiratet, drei minderjährige Kinder, ist seit 1992 bei dem beklagten Verein als Erzieherin (Ergänzungskraft) beschäftigt. Die zunächst mit 30 Wochenstunden vereinbarte Arbeitszeit wurde auf Veranlassung des beklagten Vereins im Zusammenhang mit einer Änderung des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) einvernehmlich auf 26 Stunden herabgesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind kraft Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), der Bezirkszusatztarifvertrag und die diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

In § 15b Abs. 1 BAT ist bestimmt:

"Mit vollbeschäftigten Angestellten soll auf Antrag eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit (§ 15 und die Sonderregelungen hierzu) vereinbart werden, wenn sie

a) mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder

b) einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen

tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

Die Teilzeitbeschäftigung nach Unterabsatz 1 ist auf Antrag auf bis zu fünf Jahre zu befristen. Sie kann verlängert werden; der Antrag ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zu stellen."

Nach § 50 Abs. 1 BAT soll Angestellten ua. dann auf Antrag Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge gewährt werden, wenn sie mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen und dringende dienstliche oder betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

Der beklagte Verein unterhält 17 Tageseinrichtungen für Kinder. Die Klägerin war in dem Kindergarten D. eingesetzt. Dort bestehen zwei Gruppen, die jeweils von einer Gruppenleiterin und einer Ergänzungskraft betreut werden. Die Leiterin des Kindergartens ist wegen der von ihr wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben nicht freigestellt; sie betreut als Gruppenleiterin eine der beiden Gruppen. Der Kindergarten ist von montags bis freitags von 7.30 bis 12.30 Uhr geöffnet. Die Gruppenleiterinnen sind von 7.30 bis 13.30 Uhr anwesend, die Ergänzungskräfte von 8.00 bis 13.00 Uhr, montags regelmäßig bis 14.00 Uhr zur Teambesprechung. Die Kinder finden sich bis gegen 9.00 Uhr in ihrer jeweiligen Gruppe ein und halten sich dort noch etwa eine Stunde auf. Danach können sie in andere Räume wechseln, auch in die Nachbargruppe. Sie werden dann durch die dort anwesenden Erzieherinnen betreut.

Die Klägerin befand sich wiederholt in Erziehungsurlaub, zuletzt bis einschließlich 7. April 2001. Auf Wunsch des beklagten Vereins arbeitete sie in den Jahren 1997/1998 vorübergehend im Kindergarten N. mit einer Arbeitszeit von 7,5 Stunden/Woche. Wegen der von ihr betreuten Kinder beantragte die Klägerin bereits im Jahr 2000, ab 8. April 2001 "familienpolitische Teilzeitbeschäftigung" mit mindestens zehn Stunden und höchstens 15 Stunden wöchentlich bis zum 7. April 2006. Hiermit erklärte sich der beklagte Verein nicht einverstanden. Er bot ihr vergeblich an, mit 19,25 Stunden im Kindergarten L. zu arbeiten.

Mit ihrer im März 2001 erhobenen Klage (ArbG Bonn - 5 Ca 561/01 -) hat die Klägerin zunächst die Zustimmung des beklagten Vereins zur befristeten Verringerung ihrer Arbeitszeit ab 8. April 2001 verlangt. Sie hat im wesentlichen geltend gemacht, § 15b Abs. 1 BAT sei unwirksam, soweit er lediglich für Vollzeitbeschäftigte, nicht aber für Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf Herabsetzung der Arbeitszeit begründe. Dringende betriebliche Gründe für eine Ablehnung der von ihr gewünschten Arbeitszeit bestünden nicht. Ein Stellensplitting sei unschwer möglich. Die pädagogische Arbeit des beklagten Vereins werde durch den zusätzlichen Einsatz einer Ergänzungskraft nicht gefährdet.

Mit Schreiben vom 20. April 2001 verlangte die Klägerin unter Berufung auf § 8 TzBfG die Zustimmung des beklagten Vereins zur unbefristeten Arbeitszeitverkürzung zum 1. August 2001 auf zehn Wochenstunden und deren Verteilung auf zwei Vormittage. Das lehnte der beklagte Verein noch im April 2001 unter Hinweis auf die bisherige Korrespondenz schriftlich ab. Eine Verringerung der Arbeitszeit komme aus pädagogischen Gründen nicht in Betracht.

Mit ihrer im Mai 2001 erhobenen Klage (ArbG Bonn - 2 Ca 1414/01 -) hat die Klägerin zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, gemäß § 15b des Bundes-Angestelltentarifvertrages mit Wirkung ab 8. April 2001 für den Zeitraum von fünf Jahren einer Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin von bisher 30 Stunden auf nunmehr 10 Stunden zuzustimmen;

hilfsweise

den Beklagten zu verurteilen, der Verringerung der Arbeitszeit und der Änderung der Lage der Arbeitszeit dahingehend zuzustimmen, daß die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. August 2001 eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden hat und diese Arbeitszeit auf zwei Vormittage, und zwar donnerstags und freitags zu je fünf Stunden verteilt wird;

hilfsweise

den Beklagten zu verurteilen, die Arbeitszeit mit Wirkung ab 1. August 2001 auf wöchentlich 10 Stunden zu reduzieren, wobei die Verteilung der Arbeitszeit auf zwei Vormittage zu erfolgen hat.

Der beklagte Verein hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, der Verringerung der Arbeitszeit stünden betriebliche Gründe entgegen. Jede Erweiterung der Bezugspersonen sei für die betreuten Kinder und die daraus gezwungenermaßen folgende Lockerung der emotionalen Bindung an den einzelnen Betreuer nachteilig. Kontinuität des Betreuungspersonals und ständige Kontaktmöglichkeit mit den Eltern sei erforderlich. Da alle Betreuer an Elternabenden oder sonstigen Besprechungen teilzunehmen hätten, gingen wegen des hierfür erforderlichen Freizeitausgleichs zusätzlich Betreuungszeiten verloren.

Das Arbeitsgericht hat in dem Rechtsstreit betr. § 15b BAT (ArbG Bonn - 5 Ca 561/01 -) die Klage abgewiesen. In dem Rechtsstreit betr. § 8 TzBfG (ArbG Bonn - 2 Ca 1414/01 -) hat es den Beklagten verurteilt, der Verringerung der Arbeitszeit und der Änderung der Arbeitszeit zuzustimmen "mit Wirkung ab Rechtskraft der Entscheidung, frühestens ab 1. August 2001". Das Landesarbeitsgericht hat nach Verbindung der beiden Verfahren die Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Beide Parteien haben die zugelassene Revision eingelegt. Die Klägerin macht weiterhin einen Anspruch auf befristete Herabsetzung der Arbeitszeit geltend, wobei der beklagte Verein die Zustimmung mit Wirkung ab Rechtskraft für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilen soll. Der Beklagte erstrebt die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Begründet ist die Revision des beklagten Vereins. Sie führt zur Abweisung der Klage.

A. Die Klage ist zulässig. Hauptantrag und Hilfsanträge sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der beklagte Verein soll verurteilt werden, der Verringerung der Arbeitszeit von 26 Stunden/Woche auf zehn Stunden/Woche für die Dauer von fünf Jahren zuzustimmen, hilfsweise unbefristet und verteilt auf zwei Wochentage. Die Arbeitsbedingungen sollen im übrigen unverändert bleiben. Ein auf Abgabe einer solcher Willenserklärung gerichtetes zusprechendes Urteil wird nach § 894 ZPO vollstreckt. Sie gilt mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben. Dem entspricht der Sachantrag der Klägerin.

Der Hauptantrag enthält keine Angaben zur Verteilung der zehn Stunden Arbeitszeit. Das macht ihn nicht iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unbestimmt, wie die gebotene Auslegung ergibt. Die Klägerin überläßt die Verteilung der Arbeitszeit insoweit dem beklagten Verein, der sie durch Ausübung seines Weisungsrechts festlegen soll. Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Die zehn Stunden sollen auf eine Woche verteilt werden. Der Beklagte soll nicht etwa berechtigt sein, die Wochenarbeitszeit in eine Jahresarbeitszeit umzurechnen und die Klägerin nach Bedarf abzurufen.

B. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf befristete noch auf unbefristete Verringerung der bisherigen Wochenarbeitszeit von 26 auf zehn Stunden.

I. Ein Anspruch auf befristete Verringerung läßt sich nicht aus § 15b Abs. 1 Buchst. a BAT herleiten. Der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten aus dem persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift ist zwar rechtsunwirksam. Dem Verringerungswunsch der Klägerin stehen aber dringende betriebliche Belange des beklagten Vereins entgegen.

1. § 15b BAT ist auf Grund der vertraglichen Vereinbarung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.

a) Die Tarifvorschrift wird nicht durch § 8 Abs. 4 TzBfG verdrängt (aA Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand April 2002 § 15b Rn. 19 ). Der in § 8 Abs. 4 TzBfG geregelte Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung ist zwingend und bindet auch die Tarifvertragsparteien (§ 22 Abs. 1 TzBfG). Tarifliche Regelungen, die dem gesetzlichen Verringerungsanspruch widersprechen, sind daher unwirksam. Günstigere Vereinbarungen sind aber nicht ausgeschlossen. Hierzu gehört § 15b Abs. 1 BAT. Abweichend von § 8 Abs. 4 TzBfG wird dem Arbeitnehmer ermöglicht, die Arbeitszeit befristet herabzusetzen. Für den Anspruch nach § 8 Abs. 4 TzBfG gilt das nicht (aA Mues ArbRB 2002, 15). Hätte der Gesetzgeber einen Anspruch des Arbeitnehmers auch auf eine nur vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit einführen wollen, hätte das vergleichbar dem Anspruch von Eltern auf Elternzeit (§ 15 BErzGG) ausdrücklich bestimmt werden müssen.

b) § 15b BAT entfällt als mögliche Anspruchsgrundlage nicht
schon deshalb, weil nach seinem Wortlaut nur vollbeschäftigte Angestellte anspruchsberechtigt sind. Zwar gehört die Klägerin nicht zu den vollbeschäftigten Angestellten, weil ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 26 Wochenstunden unter der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit des § 15 Abs. 1 BAT von derzeit 38,5 Stunden liegt. Der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ist jedoch unwirksam. Die Tarifvorschrift knüpft direkt an den Umfang der Arbeitszeit an. Teilzeitbeschäftigte werden allein "wegen" ihrer verringerten Arbeitszeit aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt; die Tarifvorschrift ist - soweit sie diskriminiert - unwirksam (Riesenhuber NZA 1995, 56; zweifelnd Fieberg in GKÖD BAT Bd. 4 Stand Dezember 2002 § 15b Rn. 16).

aa) Das Landesarbeitsgericht hat die Ungleichbehandlung im wesentlichen damit gerechtfertigt, die Tarifvertragsparteien seien vom "durchschnittlichen" Teilzeitarbeitnehmer ausgegangen, der bereits mehr Zeit für die Betreuung und Pflege von Familienangehörigen als ein Vollbeschäftigter habe. Aus ihrer Sicht habe daher kein Bedarf bestanden, für Teilzeitbeschäftigte einen Verringerungsanspruch zu begründen. Das halte sich im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien. Auch sei zu berücksichtigen, daß sich der Teilzeitbeschäftigte frei für eine Teilzeitbeschäftigung entschieden habe.

bb) Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

(1) Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der Teilzeitbeschäftigte hat Anspruch auf die ihm zu Unrecht vorenthaltene Leistung des Arbeitgebers. Das Benachteiligungsverbot bindet auch die Tarifvertragsparteien (§ 22 Abs. 1 TzBfG). Der hierdurch bewirkte Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. ausführlich zu § 2 BeschFG BAG 24. Mai 2000 - 10 AZR 629/99 - AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 79 = EzA BGB § 611 Gratifikationen, Prämie Nr. 159 mwN). Ob eine unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt ist, bestimmt sich nach dem der Regelung zugrunde liegenden Sinn und dem mit ihr verfolgten Zweck der Leistung, wie sie den vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen und Kürzungsbestimmungen zu entnehmen sind.

(2) Mit § 15b Abs. 1 BAT haben die Tarifvertragsparteien ersichtlich Angestellten ermöglichen wollen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Im Interesse der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen wird die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt. Er wird deshalb unter den in der Tarifvorschrift näher bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer eine Verringerung der Arbeitszeit zu vereinbaren. Ein solches Bedürfnis nach Freiraum für zusätzliche Kinderbetreuung besteht nicht nur bei Vollzeitbeschäftigten. Auch Teilzeitbeschäftigte können jederzeit in die Lage geraten, daß sich die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit mit ihrer familiären Situation nicht (mehr) vereinbaren läßt.

Der vermeintlich vertraglich gewährleistete vermehrte Freiraum für die Wahrnehmung familiärer Aufgaben greift als Sachgrund nicht durch. Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 TzBfG ist ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, wenn seine regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollbeschäftigten Arbeitnehmers. Von dieser Begriffsbestimmung gehen auch die Tarifvertragsparteien aus. Teilzeitbeschäftigung liegt mithin bereits vor, wenn die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit des § 15 BAT von 38,5 Stunden nur geringfügig unterschritten wird. Der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten läßt sich deshalb nicht damit rechtfertigen, die Tarifvertragsparteien hätten nur das Arbeitsverhältnis des "normalen" Teilzeitbeschäftigten im Blick gehabt und deshalb einen Regelungsbedarf verneint. Auf ein solches Teilzeitarbeitsverhältnis - gemeint ist erkennbar ein solches mit etwa der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit - stellt § 15b BAT nicht ab. Die Vorschrift gilt für alle Teilzeitbeschäftigten. Eine Regelung, die alle Teilzeitbeschäftigten unabhängig vom Umfang ihrer Arbeitszeit von einem tariflichen Anspruch ausschließt, muß allen Teilzeitbeschäftigten gegenüber sachlich begründet sein.

(3) Die Ungleichbehandlung läßt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit der "autonomen Entscheidung" des Arbeitnehmers für Teilzeitarbeit begründen.

Geht es um die Beurteilung einer Tarifvorschrift, kommt es nicht auf alle denkbaren Zwecke an, die mit der tariflichen Leistung verfolgt werden könnten, sondern auf diejenigen, auf die es den Tarifvertragsparteien nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen Willen ankommt (BAG 20. Juni 1995 - 3 AZR 539/93 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Nährmittelindustrie Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 41). Daß die Tarifvertragsparteien Teilzeitbeschäftigte generell deshalb ausgenommen hätten, weil diese sich für eine Teilzeitarbeit und damit gegen eine Vollzeitarbeit entschieden hätten, ist nicht erkennbar. Eine solche "freie" Entscheidung treffen auch Vollzeitbeschäftigte. Trotzdem sollen nur sie und nicht auch Teilzeitbeschäftigte die vorübergehende Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen können.

Die Entscheidung eines Arbeitnehmers für die Begründung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses ist häufig nur vordergründig Ergebnis eines selbst gewählten Arbeitszeitmodells. Das Arbeitsplatzangebot macht der Arbeitgeber. Er bestimmt regelmäßig die Arbeitsbedingungen und gibt insbesondere auch die Dauer der Arbeitszeit vor. Das zeigt der Streitfall. Der beklagte Verein bietet Erzieherinnen ausschließlich Teilzeitarbeitsverträge an. Auch im öffentlichen Dienst ist ein auf Teilzeitarbeit beschränktes Arbeitsplatzangebot nicht unbekannt (vgl. Teilzeitarbeit in Vorschulen BAG 18. Februar 2003 - 9 AZR 272/01 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Wer an sich ein Vollzeitarbeitsverhältnis sucht, hat dann nur die Wahl zwischen Teilzeitarbeit und "Nichtarbeit".

c) Ob der Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten in § 15b BAT auch gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung verstößt, weil ganz überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten, wie die Klägerin geltend macht, ist danach nicht zu entscheiden.

2. Gleichwohl hat die Klage keinen Erfolg. Der Verringerung der Arbeitszeit auf zehn Stunden in der Woche stehen dringende betriebliche Belange des beklagten Vereins entgegen. Das kann der Senat selbst beurteilen. Dem steht nicht entgegen, daß das Landesarbeitsgericht sich auf die Prüfung beschränkt hat, ob der beklagte Verein dem Verringerungsantrag der Klägerin betriebliche Gründe iSv. § 8 Abs. 4 TzBfG entgegenhalten kann. Für diese Prüfung hat es das beiderseitige Parteivorbringen festgestellt. Ob das Vorbringen des beklagten Vereins die unbestimmten Rechtsbegriffe "betriebliche Gründe" iSv. § 8 Abs. 4 TzBfG oder "dringende betriebliche Belange" iSv. § 15b Abs. 1 BAT erfüllt, betrifft die Auslegung der Vorschriften, unter die der festgestellte Sachverhalt zu subsumieren ist.

a) In § 15b Abs. 1 BAT werden die Merkmale, die den Tarifbegriff "entgegenstehende dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange" erfüllen, nicht näher erläutert. Seine Auslegung bestimmt sich deshalb nach dem allgemeinen Sprachverständnis unter Berücksichtigung des mit der Vorschrift verfolgten Zwecks. Belange ist ein anderes Wort für Interessen. Etwas ist "belangt", wenn es "betroffen" ist. Das können Interessen jeglicher Art sein. Sie sind zu berücksichtigen, wenn sie "dienstlich/betrieblich" sind, sich also auf die Verhältnisse der Dienststelle/des Betriebs beziehen. Mit dem Begriff "dringend" wird ausgedrückt, daß eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder auch sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen mithin von erheblichem Gewicht sein. Sie müssen sich als zwingende (vgl. BAG 23. Februar 1982 - 3 AZR 86/81 - AP BMT-G II § 15 Nr. 2, zu I 3 der Gründe) "Hindernisse" für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit und deren Verteilung darstellen (Riesenhuber NZA 1995, 56, 58).

Diese Auslegung wird durch den mit der Vorschrift verfolgten familienpolitischen Zweck bestätigt. Die Tarifvertragsparteien messen der häuslichen Kinderbetreuung ersichtlich einen besonderen Wert bei. Daß § 15b Abs. 1 BAT als Soll-Vorschrift formuliert ist, besagt nichts anderes. Mit dieser Gestaltung haben die Tarifvertragsparteien das von ihnen gewollte Regel-/Ausnahmeverhältnis herausgestellt. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15b Abs. 1 BAT vor, hat der Angestellte Anspruch auf die Vereinbarung einer geringeren Arbeitszeit. Dem Arbeitgeber ist insoweit kein Ermessen eingeräumt. Seine Interessen an der Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit und die Interessen des Angestellten an deren Veränderung sind nicht abzuwägen. Das wirkt sich andererseits auch auf die Rechtsstellung des Angestellten aus. Gibt es entgegenstehende Gründe im Sinne von § 15b Abs. 1 BAT, kann er keine tarifliche Verringerung seiner Arbeitszeit beanspruchen, so nachvollziehbar und wichtig seine Gründe sein mögen. Dieses "Alles oder Nichts" bedingt zugleich, daß nur wirklich objektiv gewichtige Gründe des Arbeitgebers die Ablehnung des Antrags rechtfertigen können.

b) Einen solchen gewichtigen Grund hat der beklagte Verein geltend gemacht.

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, die vom beklagten Verein vorgetragenen pädagogischen Gründe könnten der Beschäftigung der Klägerin mit nur zehn Stunden in der Woche entgegenstehen. Ein häufiger Wechsel der Bezugsperson und die damit verbundene fehlende Ansprechbarkeit für Kinder und Eltern könne sich pädagogisch nachteilig auf die Entwicklung der Kinder auswirken. Gerade bei Kindergartenkindern könnten konstante Bezugspersonen zu ihrer gedeihlichen Entwicklung beitragen. Für die Erziehung sei oftmals eine dauerhafte, auf einen längeren Zeitraum angelegte Beobachtung seiner Entwicklung und Verhaltensweisen erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des beklagten Vereins gleichwohl als nicht ausreichend beurteilt. Es genüge nicht, ein "Ideal" aufzustellen, das in der Praxis nicht verwirklicht werde und auch nicht verwirklicht werden könne. Ein Arbeitgeber, der sich gleichwohl auf ein solches Konzept berufe, handele rechtsmißbräuchlich und willkürlich. Ein solcher Fall sei hier gegeben.

bb) Ob ein gewichtiger Grund tatsächlich besteht, ist von den Gerichten für Arbeitssachen nicht ungeprüft hinzunehmen. Der gerichtliche Kontrollmaßstab ist allerdings eingeschränkt. Wie sich aus dem Vorrang der entgegenstehenden dringenden dienstlichen/betrieblichen Gründe ergibt, ist nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Arbeitgeber frei in der Festlegung der von ihm verfolgten Ziele. Das schließt regelmäßig die Entscheidung über das dem Betrieb einer Kindertagesstätte zugrunde liegende pädagogische Konzept ein. Ob das vorgetragene Konzept sinnvoll ist, unterliegt nur einer Mißbrauchskontrolle. Gerichtlich überprüfbar ist hingegen, ob das betriebliche Arbeitszeitmodell durch das behauptete Konzept "bedingt" ist. Angesprochen ist damit die Ursächlichkeit der dienstlichen Entscheidung des Arbeitgebers für die hiervon abhängigen Folgeentscheidungen. Sie müssen nachvollziehbar und in sich schlüssig sein. Das beurteilt sich ua. nach der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgabe und deren Einbindung in den dienstlichen/betrieblichen Ablauf.

Eine andere Frage ist, ob das Konzept tatsächlich dem Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers entgegensteht. Insoweit ist zu prüfen, ob ungeachtet der "grundsätzlichen" Entscheidung des Arbeitgebers eine Beschäftigungsmöglichkeit mit der vom Arbeitnehmer gewünschten veränderten Arbeitszeit besteht oder durch dem Arbeitgeber zumutbare Maßnahmen hergestellt werden kann. Weiterhin ist zu prüfen, ob das behauptete Modell tatsächlich durchgeführt wird und nicht nur zur Abwehr des Verringerungsantrags des Arbeitnehmers "vorgeschoben" wird. Das ist eine Frage der dem Gericht obliegenden freien Beweiswürdigung, ob die Behauptung des Arbeitgebers als "wahr oder nicht wahr" zu erachten ist (§ 286 ZPO). Sie betrifft nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, Fragen des Rechtsmißbrauchs oder der Willkür.

cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann die Ablehnung des Teilzeitbegehrens der Klägerin gerichtlich nicht beanstandet werden.

(1) Als Träger eines Kindergartens hat der beklagte Verein einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag im ständigen Kontakt mit der Familie und anderen Erziehungsberechtigten durchzuführen (§ 2 GTK NW). Das vom beklagten Verein vorgetragene betriebliche Arbeitszeitmodell dient der Erfüllung dieses pädagogischen Auftrags. Ziel ist die durchgängige Betreuung der Kinder und der ständige Kontakt mit den Eltern. Deshalb soll der Kreis der Erzieherinnen soweit als möglich beschränkt werden. Der von der Klägerin gewünschte Einsatz mit zehn Stunden/Woche ist damit unvereinbar. Sie steht dann nur zeitweise zur Verfügung. Die von ihr gewünschte Arbeitszeit deckt die Öffnungszeiten des Kindergartens nicht ab. Die verbleibende Arbeitszeit muß zwangsläufig von einer weiteren Erzieherin abgedeckt werden. Daß eine andere von der Klägerin namentlich benannte Erzieherin bereit ist, sich mit der Klägerin den Arbeitsplatz zu teilen, löst das Problem nicht.

(2) Die "Feststellungen" des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen nicht den Schluß, der beklagte Verein müsse der Arbeitszeitverringerung zustimmen, weil er sich selbst nicht an sein Konzept halte.

(2.1) Die vom Landesarbeitsgericht angeführten Krankheits- und Urlaubsvertretungen sind äußere Umstände, die vom Arbeitgeber nicht beeinflußt werden können. Sein Einfluß beschränkt sich auf die zeitliche Lage des Urlaubs, nicht auf die Freistellung selbst. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts läuft darauf hinaus, daß allein deshalb, weil Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf Urlaub haben und krankheitsbedingt ausfallen können, jeglicher Arbeitsplatz teilbar wäre. Ebensowenig ist dem beklagten Verein die "relativ hohe Fluktuation" zuzurechnen. Im übrigen ist "Fluktuation" etwas anderes als das von der Klägerin gewünschte Modell, das sich als eine Form der Arbeitsplatzteilung ohne gleichzeitige Vertretungspflicht darstellt.

(2.2) Die Erwägung, in dem als "offene Einrichtung" geführten Kindergarten D. sei der Bezug zwischen Kindern und der jeweiligen Gruppenleiterin/Ergänzungskraft ohnehin gelockert, weil sich die Kinder frei in allen Räumlichkeiten bewegen könnten, verfängt nicht. Die vom Kindergartenträger als erforderlich angesehene "Bindung an feste Bezugspersonen" heißt nicht, Kind und Betreuer müßten sich ständig in demselben Raum aufhalten. Sie wird durch räumliche Nähe, Kontinuität und Ansprechbarkeit hergestellt.

(2.3) Die Darlegungen des Landesarbeitsgerichts werden auch dem festgestellten Vorbringen des beklagten Vereins nicht gerecht. Er hat nicht nur geltend gemacht, die Zahl der im Kindergarten eingesetzten Erzieherinnen sei wegen der den Kindern förderlichen Bindung an feste Bezugspersonen geboten. Es soll auch gewährleistet werden, daß alle Erzieherinnen über den Kindergartenalltag möglichst umfassend und aus eigenem Miterleben informiert sind, um ua. nachfragenden Eltern stets zeitnah Auskunft erteilen und Hilfe anbieten zu können. Ein solcher Informationsaustausch ist bei der von der Klägerin verlangten Arbeitszeit ausgeschlossen. Sie führt zu einem wechselnden Einsatz von zwei Ergänzungskräften einer Gruppe innerhalb einer Arbeitswoche mit drei und zwei Arbeitstagen.

Dieser Informationsverlust läßt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch vermeiden, daß der beklagte Verein anordnet, die Betreuerinnen hätten sich untereinander über alle Vorkommnisse, Unfälle oder Auffälligkeiten zu informieren. Ob ein Kind eine bestimmte Situation als Konfliktfall erlebt, zeigt sich oft erst zu Hause. Spielte sich der Vorfall an einem Freitag ab und hat ihn nur die an den Tagen Donnerstag/Freitag tätige Erzieherin persönlich beobachtet, aber als unbedeutend eingestuft, könnte der Sachverhalt erst am darauf folgenden Donnerstag geklärt werden.

(2.4) Das Landesarbeitsgericht verweist ferner auf die Tatsache, daß der beklagte Verein mit anderen Erzieherinnen, die er für die von ihm betriebenen 17 Einrichtungen eingestellt hat, eine Arbeitszeit von 19,25 Stunden/Woche vereinbart hat. Dieser Aussage liegt wohl seine Annahme zugrunde, in anderen von dem beklagten Verein betriebenen Einrichtungen deckten sich Anwesenheitszeiten des Personals und Öffnungszeiten ebenfalls nicht. Auch wenn das unterstellt wird, läßt sich daraus nichts gegen das im Kindergarten D. praktizierte Arbeitszeitmodell herleiten. Der beklagte Verein macht außerdem zutreffend geltend, daß es sich insoweit um "Altverträge" handelt.

(2.5) Ebensowenig wird durch die frühere Teilzeittätigkeit der Klägerin in Frage gestellt, daß der beklagte Verein das vorgetragene pädagogische Konzept gegenwärtig und in absehbarer Zukunft auch tatsächlich verwirklichen will. Es erfolgte vorübergehend in den Jahren 1997/1998 in einem anderen Kindergarten. Die Klägerin arbeitete 7,5 Stunden, verteilt auf Dienstag vormittags und Donnerstag nachmittags. Der beklagte Verein hatte hier in einem Einzelfall auf Wunsch einer anderen Mitarbeiterin dem zeitlich begrenzten Personaleinsatz der Klägerin zugestimmt.

(2.6) Auch das Argument, der beklagte Verein habe selbst (im Juli 2000) zunächst "signalisiert", er stehe dem Verringerungswunsch der Klägerin nicht gänzlich ablehnend gegenüber, greift nicht. Das zeigt allenfalls, daß er die Möglichkeiten eines Einsatzes der Klägerin nicht von vornherein ausschließen wollte. Daß er im Kindergarten D. nach dem Ende des Erziehungsurlaubs der Klägerin zunächst wegen des Ausscheidens ihrer Vertreterin Frau S. die Stelle nicht sofort besetzt hat, sondern zunächst mit "Aushilfen und Vertretungskräften" gearbeitet hat, ist gleichfalls unerheblich. Hieraus werden allenfalls vorübergehende Besetzungsschwierigkeiten deutlich, nicht aber die vom Landesarbeitsgericht angenommene "Abkehr vom Konzept".

II. Kann die Klägerin ihren Verringerungsanspruch schon wegen entgegenstehender dringender betrieblicher Belange nicht auf § 15b BAT stützen, so hat sie auch keinen Anspruch auf Zustimmung zur Verringerung ihrer Arbeitszeit nach § 8 Abs. 4 TzBfG. Das aus dem pädagogischen Konzept der Einrichtung abgeleitete Arbeitszeitmodell des beklagten Vereins ist ein entgegenstehender betrieblicher Grund iSd. § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG. Die Arbeitszeitverringerung und die Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit gilt auch nicht nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG als vereinbart. Der beklagte Verein hat den Verringerungswunsch der Klägerin form- und fristgerecht abgelehnt. Einer neuerlichen Erörterung bedurfte es nicht (Senat 18. Februar 2003 - 9 AZR 356/02 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

C. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO.

Düwell Krasshöfer Reinecke

Kappes Bruse

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